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Dr. Anne-Christin Bansleben
Gründerin
Natürlich gegerbte Lederprodukte deepmello
"Ich wusste schon immer, dass ich nicht nur forschen, sondern auch marktfähige Produkte entwickeln möchte, und mit dem eigenen Unternehmen kann ich beide Leidenschaften verbinden"
Anne-Christin Bansleben gründete 2010 im Alter von 32 Jahren in Bernburg das Leder- und Designlabel deepmello. Die Ausgründung aus der Hochschule Anhalt setzt auf vegetabile Ledergerbung und adaptiert neueste Forschungserkenntnisse für die Entwicklung innovativer Produkte, bei denen Rhabarber die tragende Rolle spielt.
Wenn Dr. Anne-Christin Bansleben potentiellen Kunden ihre neuesten Entwicklungen vorstellt, ist das Überraschungsmoment meist perfekt, denn die Leder, die die 35-Jährige Sachsen-Anhalterin verarbeitet, sind nicht nur über die Maßen geschmeidig und überzeugen durch Farbbrillanz, sie entfalten auch einen ganz besonderen Duft. Das Geheimnis: Statt mit Schwermetallen gerbt das Leder- und Designlabel deepmello mit Extrakten aus der Rhabarberwurzel. Das innovative Verfahren wurde an der Hochschule Anhalt entwickelt und wird nun in der Produktentwicklung der Ausgründung vermarktet.
„Ich hatte keinen vorgefassten Plan, einmal ein Unternehmen zu gründen. Aber mir war schon immer klar, dass ich nicht nur im Labor forschen möchte, sondern den Anspruch habe, dass aus dieser wissenschaftlichen Arbeit auch konkrete Produkte erwachsen“, erzählt die engagierte Unternehmerin. Während ihres Studiums der Oecotrophologie und ihrer Promotion an der Martin-Luther-Universität Halle arbeitete sie am Fachbereich Biochemie und Bioanalytik in einem Projekt mit, das die Wirkungs- und Einsatzmöglichkeiten des Rhabarbers erforscht. Dabei machen die Forscher eine spannende Entdeckung – mit dem Extrakt der Rhabarberwurzel lässt sich Leder besonders schonend und dabei qualitativ hochwertig gerben. Ein wissenschaftlicher Durchbruch, der Marktpotential hat, denn die konventionelle Ledergerbung mit Chrom ist unter ökologischen Gesichtspunkten ein eher zwiespältiges Verfahren.
Ausgründung erleichtert den Technologietransfer
„Meist landen solche Forschungsergebnisse in irgendeiner Schublade, weil den Universitäten die Möglichkeiten fehlen, sie wirtschaftlich zu vermarkten. Wir waren so von der Marktfähigkeit des Rhabarber-Leders überzeugt, dass wir uns entschlossen haben, ein eigenes Unternehmen aufzuziehen“, erzählt Anne-Christin Bansleben. Gemeinsam mit zwei Forschungskollegen gründet sie deshalb in Bernburg unweit der Hochschule 2010 das Leder- und Designlabel deepmello, um aus schonend mit Rhabarberextrakt gegerbtem Leder Produkte zu entwickeln und zu vertreiben.
Der Spin-off und die weiterhin enge Anbindung an die Hochschule machen für alle Beteiligten Sinn, denn aus eigener Kraft wäre eine Neugründung kaum in der Lage, die Entwicklung solch aufwändiger Verfahren zu finanzieren. „Wir haben rund vier Jahre geforscht, bis wir mit der Ledergerbung so weit waren“, erklärt die Wissenschaftlerin. Weil die Forscher, nachdem das Verfahren funktioniert, schnellstmöglich in die Umsetzungsphase gehen möchten, gründen sie eine UG (haftungsbeschränkt), da hier die bürokratischen Anforderungen vergleichsweise gering sind. Nach einem Jahr Aufbauarbeit steht die erste Kollektion – Accessoires wie Armbänder und Gürtel sowie Taschen in modernem Design.
„Ausgründungen aus Hochschulen können einen wesentlichen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland leisten, denn viele innovative Ansätze, die in der Wissenschaft entwickelt werden, würden sonst nicht vermarktet. Die bundesweite gründerinnenagentur (bga) hat eigens einen Arbeitsschwerpunkt zu innovativen, wissensbasierten und technologieorientierten Gründungen aufgebaut, um ambitionierte Wissenschaftlerinnen für Unternehmensgründungen als Karriereoption zu sensibilisieren. Expertinnen und Experten der bga aus Wissenschaft und Wirtschaft steht gründungsinteressierten Frauen bei der Umsetzung von Geschäftsideen zur Seite“, so bga-Leiterin Iris Kronenbitter.
Das Unternehmen als Netzwerk denken
deepmello lebt von Anfang an vom Netzwerkgedanken, sowohl was das Gründerteam selbst als auch die unternehmerischen Strukturen angeht. „Ich bin gewissermaßen die Frontfrau, vertrete die Firma nach außen, mache die Kundenkontakte, fahre zu Messen. Meine beiden Kollegen konzentrieren sich stärker auf die wissenschaftliche Arbeit“, erzählt Anne-Christin Bansleben. Bei der konzeptionellen Planung und der Weiterentwicklung des Produktportfolios setzen die drei Gründer sich zusammen und ziehen bei Bedarf, beispielsweise in betriebswirtschaftlichen Fragen, externe Beratung hinzu.
Die Produktion von deepmello beruht ebenfalls auf einem Netzwerkkonzept. So arbeitet das Unternehmen noch heute mit der Gerberei zusammen, die seinerzeit, als die Gründer mit der Erforschung des Rhabarberextrakts begannen, die ersten Umsetzungsversuche begleitete. „Der Prozess des Gerbens ist sehr technologieintensiv. Als Start-up kann man dafür nicht einfach selbst eine Infrastruktur schaffen“, erklärt die Wissenschaftlerin. Auch bei der Herstellung der Lederprodukte kooperiert die Firma mit externen Produzenten. Wichtig ist den Firmeninhabern dabei, ausschließlich am Standort Deutschland zu produzieren, damit die gesamte Wertschöpfungskette der inländischen Wirtschaft zugute kommt. „Unser Arbeitsprinzip ist es, uns auf das zu konzentrieren, was wir am besten können. Wir möchten bestehende Systeme nutzen und so Synergien erzielen“, so die Unternehmerin.
Darüber hinaus arbeitet deepmello mit externen Designern zusammen, die einen Teil der neuen Produkte gestalten. In den Bereichen Marketing und PR setzt das Gründungsteam ebenfalls auf kompetente Begleitung von außen, beispielsweise durch Fachleute aus der Modebranche und der Öffentlichkeitsarbeit.
„Teamgründungen sind für den Aufbau von Unternehmen sehr hilfreich, wenn das Gründungsteam durch seine unterschiedliche fachliche Expertise die benötigten Kompetenzen abdeckt, denn neben branchenspezifischem Know-how ist hier immer auch betriebswirtschaftliches Wissen gefragt. Die bundesweite gründerinnenagentur unterstützt angehende Unternehmerinnen dabei, ihre Geschäftsideen mit Partnerinnen und Partnern oder als Teil eines Netzwerkes umzusetzen“, so bga-Leiterin Iris Kronenbitter.
Hochwertige Produkte haben ihren Preis
Den Start von deepmello hat das Gründungsteam aus eigener Tasche finanziert. In den letzten drei Jahren hat sich die Firma prächtig entwickelt. „Wir haben bisher jedes Jahr unseren Umsatz verdoppelt“, so Bansleben. Die hochwertigen Lederartikel werden etwa zur Hälfe über den Einzelhandel, zur Hälfte über einen eigenen Online-Shop vertrieben. „Die Präsenz im Ladengeschäft ist für uns wichtig, weil man unser Leder fühlen muss. Die Haptik und der angenehme Geruch sprechen einfach für sich“, sagt die Gründerin. Das Konzept kommt an, gleichwohl das Preisniveau der Ledertaschen, Schuhe und Kleidungsstücke auf den ersten Blick vergleichsweise hoch anmutet. Ein Lederarmband bekommt man bei deepmello bereits für um die 20 Euro. Taschen kosten leicht mehrere Hundert Euro, was der Qualitäts- und Produktionsstrategie geschuldet ist. Die ausschließliche Produktion in Deutschland und die hohe Qualität der Produkte haben eben ihren Preis. „Wir möchten ein faires Geschäftsmodell etablieren, bei denen alle im Herstellungsprozess Beteiligten faire Löhne erhalten“, so die Chefin.
Hinzu kommt, dass deepmello auch für einen nachhaltigen Konsum steht und seinen Kunden zeigen möchte, dass Produkte eine Wertigkeit haben und nicht jede Saison ausgetauscht werden müssen. „Wenn man unsere Handtaschen pflegt, halten sie im Prinzip ein Leben lang. Deshalb setzen wir bei unseren Designs auch auf einen Stil, der modern, aber nicht von Moden abhängig ist. Wir möchten vermitteln, dass eine Tasche etwas Besonderes ist, nicht einfach ein Gegenstand, den man bald wieder wegwirft, um ihn durch einen neuen zu ersetzen“, sagt die Gründerin. Das ist auch ein ökologisches Statement, doch in dieser Frage ist Anne-Christin Bansleben eher zurückhaltend: „Wir möchten unsere Kunden nicht missionieren. Wir möchten ihnen tolle Produkte anbieten, die umweltverträglich sind. Aber für uns steht im Vordergrund, dass diese Produkte aus sich selbst heraus überzeugen – und das tun sie.“
Um die weitere Expansion zu finanzieren, ist das deepmello-Team auf der Suche nach Investorinnen und Investoren. „Viele Banken finden unser Geschäftsmodell zwar interessant und unseren nachhaltigen Ansatz sehr zukunftsfähig, aber tun sich dennoch schwer, Kapital dafür bereitzustellen“, so die Wissenschaftlerin. Deshalb präsentiert sie ihr Konzept auch in Netzwerken vor Business Angels, um auf diesem Weg Beteiligungskapital zu mobilisieren. Die nächsten Wachstumsschritte hat sie bereits vor Augen. „Wir wollen unser Produktportfolio erweitern und zum Beispiel mehr Artikel auch für Männer entwickeln. Darüber hinaus ist Rhabarber ein Material, aus dem man noch viel mehr machen kann, beispielsweise Kosmetikprodukte“, erzählt die Geschäftsfrau. Auch betreibt sie derzeit die Umwandlung des Unternehmens in eine GmbH. Weiterhin will deepmello sich künftig noch internationaler aufstellen, denn bisher macht die Firma 80 Prozent ihres Umsatzes im Inland. Und: Ein paar Beschäftigte einzustellen, wäre auch ein wichtiger Schritt. „Gegenwärtig bewältige ich das operative Geschäft annähernd alleine und könnte, damit wir Aufträge noch schneller abwickeln können, Unterstützung gebrauchen“, so die Gründerin.
„Für die Finanzierung innovativer Geschäftsmodelle kann Risikokapital oder auch Crowdfunding ein gangbarer Weg sein, denn traditionelle Banken tun sich hier mit der Risikobewertung bisweilen schwer. In den letzten Jahren sind jedoch auch immer mehr Programme entstanden, die explizit Wissenschaftsgründungen adressieren. Das Netzwerk der bundesweiten gründerinnenagentur ebnet Wissenschaftlerinnen, die eine Ausgründung planen, den Weg zu entsprechenden Förderprogrammen und vermittelt ihnen Expertinnen und Experten aus dem Finanzwesen, die ihnen bei der Erstellung von Finanzierungsplänen behilflich sind“, so bga-Leiterin Iris Kronenbitter.
Ideen begeistert rüberbringen
Für Anne-Christin Bansleben ist nach drei Jahren im Business völlig klar, dass der Schritt ins Unternehmerinnendasein für sie genau das Richtige war. „Man muss nur an die eigene Idee glauben und diese auch mit Begeisterung vermitteln“, so ihr Erfolgsrezept. Wissenschaftlerinnen, die darüber nachdenken, aus ihrer fachlichen Expertise ein Geschäftsmodell zu entwickeln, rät sie: „Wenn man mit anderen Menschen zusammenarbeitet, lässt sich der Aufbau eines Unternehmens leichter bewerkstelligen. Man muss nicht alles alleine bewältigen. Und selbst, wenn man als Frau in der Wissenschaft bisweilen allein auf weiter Flur steht, sollte man sich nicht unterkriegen lassen.“
Unternehmenswebseite: www.deepmello.com
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