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Jana Brenner


Bundesland: Baden-Württemberg
Profil: Jana Brenner
Nachfolgerin
Fachbetrieb für Blechbearbeitung und Sanitär Essig GmbH


„Ich bin eine Macherin und wollte unbedingt das seit mehr als hundert Jahren bestehende Familienunternehmen aufrechterhalten.“


Jana Brenner ist erst 24 Jahre alt, als sie 2002 von ihrem Großvater den Handwerksbetrieb Essig GmbH in Calw in Baden-Württemberg übernimmt. Gut zehn Jahre nach der ad-hoc-Nachfolge ist die Firma für die Zukunft bestens aufgestellt.

Das Leben nimmt bisweilen ungewöhnliche Wendungen, die sich erst im Rückblick als Geschichte mit einer ureigenen Logik zu erkennen geben. Hätte man Jana Brenner vor 15 Jahren gefragt, wie sie ihre berufliche Zukunft sieht, wären der damals 20-Jährigen sicherlich viele Antworten in den Sinn gekommen, nicht jedoch die, einmal Chefin eines Handwerksbetriebs mit 14 Beschäftigten zu sein. Die Nachfolge in der vom Großvater in der vierten Generation im baden-württembergischen Calw geführten Flaschnerei, einem Fachbetrieb der Blechbearbeitung, war alles andere als geplant. „Nach dem Abitur hatte ich die Idee, Sportmanagement zu studieren, aber im Nachdenken über spätere Arbeitsfelder bin ich ins Grübeln gekommen“, erzählt die heute 35-Jährige.

Aufgewachsen in Heidelberg, ist der großväterliche Betrieb fern, wenngleich auf subtile Weise auch präsent, da Brenners Mutter, die 20 Prozent der Anteile an der Firma hält, ihren Vater aus der Ferne immer wieder in geschäftlichen Dingen unterstützt. Jana Brenner beschließt deshalb, bevor sie eine endgültige Entscheidung über ihre berufliche Zukunft fällt, in der Flaschnerei ein Praktikum zu machen. „Damals hatte ich nicht den geringsten Gedanken an eine Nachfolge“, sagt sie freimütig.

Ab auf die Baustelle – Nachfolge über Umwege

Die Zusammenarbeit mit dem Großvater hat ihre Aufs und Abs, denn der Firmeninhaber führt seinen Betrieb ganz nach alter Schule und hat nicht vor, seine Enkelin als Nachfolgerin aufzubauen – schlicht, weil er über die weitere Zukunft des Unternehmens nicht nachdenkt. Doch etwas in Jana Brenner fängt Feuer. Aus dem Praktikum wird innerhalb kürzester Zeit ein Lehrvertrag. „Ich hatte ein klares Ziel, nämlich höchstens ein Jahr mit den Monteuren auf der Baustelle zu arbeiten. Handwerkskammer und Berufsschule sind mir enorm entgegen gekommen und so konnte ich die übliche Ausbildungszeit verkürzen“, erzählt sie. Nach nur einem Jahr besteht sie die Gesellenprüfung mit Bravour als Innungssiegerin – ein Erfolg, der ihr bis zum heutigen Tag ein wenig unangenehm ist: „Ich weiß nicht, wie ich das damals geschafft habe, und es kam mir auch ein wenig ungerecht vor, denn die anderen Lehrlinge mussten immerhin dreieinhalb Jahre für ihren Abschluss arbeiten.“

Da der Firmenpatriarch noch immer keine Anstalten macht, seine Nachfolge zu regeln, nimmt Jana Brenner an der Berufsakademie Stuttgart in der Fachrichtung Handwerk ein Studium der Diplom-Betriebswirtschaft auf. Weil der duale Studiengang einen Lehrbetrieb voraussetzt, arbeitet die Anlagenmechanikerin in einem großen Sanitärbetrieb in Stuttgart. Zum Familienbetrieb hält sie in dieser Zeit nur losen Kontakt, übernimmt für den Großvater die Lohnabrechnung. Und dann geht plötzlich alles Schlag auf Schlag. „Als ich im dritten Studienjahr war, erkrankte mein inzwischen 76-jähriger Großvater schwer – und starb nur vier Monate nach der Diagnose. In dieser unsicheren Zeit war es für mich keine Frage mehr, dass ich den Betrieb weiterführen werde“, erzählt die engagierte Nachfolgerin.

„Viele Inhaber von familiengeführten Unternehmen tun sich schwer mit der Frage, ob und in welcher Form der Geschäftsbetrieb nach ihrem Ausscheiden einmal weitergeführt werden kann. Und in vielen Familien sind Töchter nicht die erste Wahl, wenn über die Nachfolge entschieden wird. Die bundesweite gründerinnenagentur (bga) hat deshalb als einen ihrer Arbeitsschwerpunkte das Thema Unternehmensnachfolge durch Frauen gesetzt, um Firmeninhaber bei der Gestaltung des Betriebsübergangs zu unterstützen und Frauen die Nachfolge als spannende Karriereoption näherzubringen“, so bga-Leitung Iris Kronenbitter.

Der Übergang ist holprig, die finanzielle Situation grenzwertig

Sozusagen über Nacht wird die seinerzeit 24-Jährige 2002 zur neuen Besitzerin des Handwerksbetriebs. Gewissermaßen in letzter Minute konnte sie den Firmeninhaber noch dazu bewegen, ihr seinen 80-Prozent-Anteil an der GmbH zu überschreiben. Doch alles andere ist im Ungewissen, zumal es nicht einmal ein Testament gibt. Die ungeklärte erbrechtliche Situation weckt manche Begehrlichkeiten, und die neue Chefin muss um den Fortbestand des Unternehmens sogar vor Gericht kämpfen. „In einem Handwerksbetrieb kann man nicht einfach jemanden auszahlen, das gibt die Substanz nicht her“, sagt die Betriebswirtin.

Die rechtliche Klärung der Besitzfrage wird nicht zum Befreiungsschlag, denn je mehr Jana Brenner in die Aktenberge eintaucht, umso deutlicher erkennt sie, dass es um die finanzielle Basis des Betriebs nicht zum Besten bestellt ist. Sie stößt auf noch nicht abgerechnete Aufträge, findet offene Forderungen, muss Darlehen umschulden. Und hat keine Bankvollmacht. Schon im zweiten Monat kommt der Punkt, an dem sie im Prinzip keine Gehälter mehr überweisen kann. „In dieser Zeit hat meine Mutter mich sehr stark bei der Buchhaltung und Bilanzierung unterstützt. Und mir geholfen, die ausstehenden Löhne von unseren privaten Konten zu begleichen.“ Die Chefin kniet sich voll rein in die neue Aufgabe, arbeitet anfangs fast rund um die Uhr. Nach eineinhalb Jahren sind die Altlasten schließlich zum größten Teil bewältigt.

„Eine Unternehmensnachfolge ist ein komplexer Vorgang, der einer guten Vorbereitung bedarf, damit ein Betrieb in der Übergangszeit nicht in eine Schieflage gerät. Die Expertinnen und Experten der bundesweiten gründerinnenagentur begleiten Firmenbesitzer und Nachfolgerinnen in allen Phasen des Betriebsübergangs, unterstützen bei der Klärung betriebswirtschaftlicher Fragen zeigen Wege der Unternehmensbewertung, der steuerlichen Behandlung der Nachfolge und der Finanzierung auf und bieten bei Bedarf auch Mediationen zur Begleitung des gesamten Nachfolgeprozesses an“, so Iris Kronenbitter, Leiterin der bga.

Anpacken und Überzeugungsarbeit leisten – eine Handwerkerin steht ihre Frau
Auch für die Beschäftigten ist der Übergang keine leichte Zeit. Zwar wissen sie aufgrund der gemeinsamen Baustellenerfahrung aus Jana Brenners Lehrzeit, dass die neue Chefin anpacken kann. Aber ob die junge Frau das Ruder des Betriebs rumreißen wird können, steht in den Sternen. Die Bestandskundschaft, im Bereich der Flaschnerei vor allem größere Bauträger und Architekturbüros, im Sanitärgeschäft eher Privatkundschaft, werden unruhig, da man sich in Calw erzählt, die Essig GmbH hätte – nach dem Tod des Firmeninhabers – keine Zukunft mehr. „Das hat mich in der Anfangszeit viel Überzeugungsarbeit gekostet. Und gleichzeitig musste ich mich ja erst einmal in alle Geschäftsvorgänge von Grund auf einarbeiten“, erzählt die Handwerkerin.

Anfangs ist die junge Frau für eigentlich alles alleine verantwortlich. In der Sekretärin findet sie eine tatkräftige Unterstützerin im Tagesgeschäft. Der Besitzer eines befreundeten Handwerksbetriebs am Ort erklärt ihr an zwei, drei Abenden, wie sie Angebote erstellt. Der Teufel steckt im Detail. „In der Blechbearbeitung machen wir beispielsweise Dachrinnen, Ablaufrohre, Blechprofile, die die Dachentwässerung gewährleisten, Blechdächer sowie Fassaden- und Kaminverkleidungen. Das ist alles Maßarbeit, muss individuell ausgemessen und kalkuliert werden“, erzählt die Nachfolgerin. Um in diese praktischen Details hineinzuwachsen, besucht sie nebenbei ein Jahr lang die Meisterschule in Stuttgart und legt dort die fachtheoretische Prüfung ab.

Auch bei Vor-Ort-Terminen auf der Baustelle oder in den bisweilen in eher handfestem Tonfall geführten Besprechungen mit Bauträgern und Architekten steht die Handwerkerin ihre Frau. „Den rauen Umgangston musste ich erst lernen, aber die Berufsschule, wo ich die einzige Frau unter lauter pubertierenden Jungs war, hat mich gut darauf vorbereitet“, sagt sie und schmunzelt.

Im Laufe der Jahre wird die Handwerkerin immer sicherer im neuen Metier. Die Beschäftigten lernen es zu schätzen, dass die neue Chefin alle Betriebsabläufe transparent gestaltet und sie in Planungsprozesse stärker einbindet. Der Meister des Sanitärgeschäfts übernimmt mehr Verantwortung für seinen Arbeitsbereich, in dem es vor allem um Reparaturen oder die Sanierung von Bädern geht. Die Leitung der Flaschnerei übernimmt Jana Brenner selbst – stellt noch einen Meister ein, der sie unterstützt. Da im Kreis Calw Bauprojekte eher der schwäbischen Sparsamkeit folgen, akquiriert die Chefin zunehmend Aufträge im Großraum Stuttgart. „In gewisser Weise profitieren wir von der Wirtschaftskrise, denn es wird viel in Bauprojekte und Sanierungen investiert“, erzählt sie. Der Sanitärbereich lebt von seiner langjährigen Präsenz in Calw. Da der Betrieb seit 1887 besteht, sagt man am Ort: „Wenn der Wasserhahn tropft, geht man zum Essig.“ „Der große Vorteil an der Nachfolge war, dass ich auf die bestehende Kundschaft zurückgreifen konnte und so nicht bei Null anfangen musste“, meint Jana Brenner.

„Einen Handwerksbetrieb zu führen, erfordert nicht nur das entsprechende Fachwissen, sondern auch betriebswirtschaftliches Know-how. Frauen, die über eine Unternehmensnachfolge nachdenken, sollten sich deshalb neben der notwendigen Branchenerfahrung auch entsprechende Kenntnisse in Fragen der allgemeinen Unternehmensführung aneignen, oder, falls sie eher aus dem Führungsbereich kommen, ihre fachliche Qualifikation entsprechend ergänzen. Das Online-Portal der bundesweiten gründerinnenagentur informiert branchenübergreifend über entsprechende Schulungs- und Weiterbildungsangebote“, so bga-Leitung Iris Kronenbitter.

Zukunftsprojekt Work-Life-Balance

Heute, rund elf Jahre nach der Übernahme, ist die Essig GmbH am Markt wieder bestens aufgestellt. Jana Brenner setzt für die Zukunft auf qualitatives Wachstum: „Eine personelle Erweiterung kommt für mich eher nicht in Frage, denn der Betrieb hat eine Größe, die gut zu führen ist. Ich habe in den Fuhrpark und in Maschinen investiert, wir haben gerade eine neue Halle gebaut. Mein Augenmerk gilt jetzt der Verbesserung unserer Qualität, unter anderem durch Weiterbildung der Mitarbeiter.“

Die Arbeitstage der inzwischen 35-Jährigen sind nach wie vor lang. Morgens kurz vor sechs Uhr ist die Chefin die erste im Büro und abends gegen 19 Uhr meistens die letzte, die geht. Und am Wochenende schreibt sie regelmäßig Angebote oder wirft einen Blick in die Buchhaltung. „Wie ich all das die letzten Jahre durchgehalten habe, ist mir manchmal ein Rätsel. Aber mir macht die Arbeit Spaß. Hilfreich sind hier sicherlich auch meine Disziplin und meine Zielstrebigkeit, denn im Rückblick ist es schon unvorstellbar, was sich hier über die Jahre getan hat – aber ich habe eben immer nach vorne geschaut“, so die junge Frau.

Freizeit und mehr Familienleben, das sind die nächsten Zukunftsprojekte für Jana Brenner: „Ich habe mir fest vorgenommen, künftig noch mehr für meine Entlastung zu sorgen.“ Ihr Lebensgefährte unterstützt ihr Engagement. Da er selbst als Meister im Betrieb tätig ist, weiß er zu gut, dass im Handwerk die Grenzen zwischen Job und Privatem eben fließend sind. Und im Winter, wenn das Wetter zu schlecht ist und die Arbeiten auf den Baustellen zwangsweise ruhen, finden beide bisweilen sogar die Zeit, sich einmal zwei Wochen Urlaub zu gönnen. „Auch wenn ich all diese Entwicklungen nie geplant habe, fühle ich mich hier am richtigen Ort – denn ich habe viele Entscheidungsfreiheiten und im Rückblick schon eine Menge bewirkt“, so die passionierte Unternehmerin.

Unternehmenswebseite: www.essig-gmbh.de





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