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Elke Müllenschläder
Nachfolgerin
Selbstbedienungsrestaurant ViVA
„Mein unternehmerisches Motto ist es, immer nach vorne zu schauen und Probleme schlicht als Aufgaben zu betrachten, die man lösen kann“
Elke Müllenschläder übernimmt im Alter von 49 Jahren im Team mit einer Kollegin das vegetarisch orientierte Selbstbedienungsrestaurant ViVA in Karlsruhe / Der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung prägte schon früh ihre Berufsvita „Früher habe ich immer gesagt, ich mache alles, aber auf keinen Fall Gastronomie“, sagt Elke Müllenschläder und lacht. Dass ihr beruflicher Werdegang sie schließlich doch in die einst nicht gerade favorisierte Branche führte und sie 2003 sogar ein Restaurant übernehmen ließ, betrachtet die heute 54-Jährige als glückliche Fügung: „Für mich hat sich schon früh herauskristallisiert, dass ich mich mit meinem beruflichen Wirken auch weiterentwickeln möchte. Und diese Grundhaltung hat mich bis zur Übernahme des Restaurants geführt.“
In Führung gehen – Für die Übernehmerin ist schon in jungen Jahren klar, dass sie etwas bewegen möchte
Nach ihrer Lehre zur Groß- und Außenhandelskauffrau zieht es die gebürtige Bremerin zunächst als Sachbearbeiterin zu IKEA, wo sie schon bald zur Abteilungsleiterin aufsteigt. Ihre persönliche Vorliebe für gesunde Ernährung und alles, was mit einem ausgewogenen Lebensstil zu tun hat, inspiriert Elke Müllenschläder in den frühen achtziger Jahren zur Gründung eines Naturkost-Fachgeschäfts. „Das sind alles Themen, an denen mein Herz hängt, und deshalb war dieser Weg für mich sehr stimmig“, so die Unternehmerin. Als es ihren Lebenspartner aus beruflichen Gründen in den Süden Deutschlands verschlägt, verkauft die Naturkost-Händlerin ihren Laden und startet in Stuttgart beruflich neu durch. „Ich habe eine Ausbildung zur Gesundheitsberaterin gemacht, mich verstärkt mit Ernährungsfragen beschäftigt und auch Kochkurse an der Volkshochschule gegeben“, erzählt Elke Müllenschläder. Immer auf Tuchfühlung mit den Fragestellungen, die sie persönlich bewegen, führt ihr Weg sie schließlich in die Gastronomie, wo sie als Angestellte Leiterin eines vegetarisch ausgerichteten Vollwert-Selbstbedienungsrestaurants wird. 1989 wechselt sie zu Alnatura und entwickelt für die Naturkostkette ein Imbisskonzept, das unter ihrer Federführung realisiert wird. 1993 erweitert Alnatura sein Gastro-Angebot mit der Eröffnung des ViVA Restaurants in Karlsruhe – ein Selbstbedienungsrestaurant mit vegetarischen Speisen – und Elke Müllenschläder ist als Restaurantleiterin Mitarbeiterin der ersten Stunde.
Eine Frage des Muts und des richtigen Konzepts
2003 entschließt der Betreiber Alnatura sich dazu, die Aktivitäten im Gastronomie-Segment einzustellen. „Die Ankündigung, dass das ViVA Restaurant zum Verkauf steht, war für mich zunächst ein Schock. Ich habe zwar sofort überlegt, ob ich einsteigen möchte, aber anfangs war nicht absehbar, ob das wirklich zu realisieren ist“, erzählt Elke Müllenschläder. Nach einigen Wochen Bedenkzeit ist sie zur Nachfolge fest entschlossen, möchte sich aber nicht alleine in das Abenteuer stürzen. „Einerseits hätte ich es wohl kaum geschafft, den Verkaufspreis in sechsstelliger Höhe alleine aufzubringen, und andererseits war mir natürlich von Anfang an klar, wie viel Arbeit mit dem Restaurant verbunden ist“, so die heutige Besitzerin. Ihre damalige Stellvertreterin Petra Eisner bekundet schließlich Interesse, den Betrieb mit ihr gemeinsam zu übernehmen. „Da wir schon zwei Jahre lang sehr gut zusammengearbeitet hatten, erschien mir das als sehr tragfähige Basis“, bekräftigt die Übernehmerin.
„Die Übernahme des Unternehmens, in dem man bereits tätig ist, birgt besondere Vorteile, denn wenn man einen Betrieb schon aus dem Tagesgeschäft heraus kennt und mit den Interna vertraut ist, lässt sich die Nachfolge umso leichter bewerkstelligen. Die bundesweite gründerinnenagentur (bga) als einziges bundesweites Service- und Kompetenzzentrum zur unternehmerischen Selbstständigkeit von Frauen über alle Branchen und Phasen der Existenzgründung und -festigung hat Unternehmensübernahmen durch Frauen als ein Schwerpunktthema auf ihre Agenda gesetzt und unterstützt Firmen, die auf der Suche nach einer Nachfolgeregelung sind, und an einer Übernahme interessierte Frauen dabei, gemeinsam passgenaue Lösungen für einen erfolgreichen Geschäftsübergang zu entwickeln. Für die Begleitung dieser Prozesse stehen unter dem Dach der bga in einem Netzwerk rund 1.500 Expertinnen und Experten zur Verfügung“, so Iris Kronenbitter, Projektleiterin der bundesweiten gründerinnenagentur.
Die beiden gründen eine GmbH und entwickeln neue Organisationsstrukturen, denn viele der durch das Tagesgeschäft bedingten Tätigkeiten, die zuvor über die Alnatura-Zentrale abgewickelt wurden, müssen die Übernehmerinnen nun selbst bewältigen. „Das war für uns zum Teil völliges Neuland. Wir haben uns einen Steuerberater gesucht, der unsere Buchhaltung übernimmt und die Auswertung der Geschäftsergebnisse erstellt sowie die Bilanzen“, so Elke Müllenschläder. Ihre frühere Aufgabenteilung behalten die beiden Frauen bei. Während Petra Eisner vor allem für die Mitarbeiter und die Personalplanung zuständig ist, kümmert sich Elke Müllenschläder um die Speiseplanung und Rezepte. Im Wochenrhythmus wechseln sich die Geschäftsführerinnen mit den Früh- und Spätschichten ab. So sind beide um die Mittagszeit immer gemeinsam im Restaurant und die Abstimmung kommt nicht zu kurz. „Da Petra Eisner ihre langjährige Gastronomieerfahrung einbringt und mich vor allem das Thema gesunde Ernährung begeistert, sind wir ein perfektes Team“, bekundet die Nachfolgerin.
„Die Übernahme im Team schafft ein weites Kompetenzportfolio, so dass die Know-how-Basis für die Nachfolge breit gefächert ist. Die Beraterinnen und Berater, die mit der bga kooperieren, unterstützen die Übernehmerinnen bei der Planung sowie in allen Phasen der Unternehmensübergabe und entwickeln gemeinsam mit den Unternehmerinnen tragfähige Organisationsmodelle, um einen erfolgreichen Geschäftsübergang sicherzustellen“, so bga-Projektleiterin Iris Kronenbitter.
Mit einem Teilhaber im Hintergrund gelingt die Finanzierung
Bei der Finanzierung der Übernahme gelingt es den beiden Gastronomie-Expertinnen, einen Finanzpartner ins Boot zu holen, denn den Kaufpreis können sie nicht allein mit Eigenkapital bestreiten. Der Betreiber eines vom Konzept her ähnlich aufgestellten Restaurants aus Nordrhein-Westfalensteigt als stiller Gesellschafter ein. Darüber hinaus nimmt jede der beiden Übernehmerinnen über die Volksbank ein Existenzgründungsdarlehen bei der KfW in Höhe von 20.000 Euro auf. „Bei den Bankgesprächen war es sicherlich hilfreich, dass es um die Übernahme eines bereits bestehenden Restaurants und nicht um eine Neugründung ging, denn auf Basis der Zahlen der vergangenen Jahre ließen sich natürlich die Erfolgsaussichten solide einschätzen. Außerdem gehören einige der Bankmitarbeiter zu unseren Gästen, so dass es nicht schwer war, sie vom Konzept zu überzeugen“, erzählt Elke Müllenschläder. Durch die Übernahme im Team steht die Finanzierung auf soliden Beinen.
Inzwischen, fast sechs Jahre nach der Übernahme, floriert das ViVA Restaurant, das jeden Tag rund 500 Gäste hat, und die beiden Nachfolgerinnen gehen davon aus, dass sie ihre Darlehen spätestens 2010 ausgelöst haben werden. Da im Laufe der Zeit auch eine Erneuerung des Interieurs und der Küchenausstattung notwendig wurde, haben die Partnerinnen 2008 noch ein Darlehen zur Existenzsicherung in Höhe von 20.000 Euro aufgenommen. „Anfangs hatte ich schon Ängste, ob wir das schaffen, denn so viele Verbindlichkeiten einzugehen, war für mich keine einfache Perspektive“, räumt Elke Müllenschläder realistisch ein. Doch wie fast immer siegte letztlich ihr Optimismus: „Mein unternehmerisches Motto ist es, immer nach vorne zu schauen. Probleme betrachte ich als Aufgaben, die man lösen kann.“
„Der Erfolg einer Übernahme hängt nicht zuletzt von einer soliden Finanzierung ab. Die Erfahrung zeigt, dass Nachfolgerinnen im Gespräch mit den Banken in einer guten Ausgangssituation sind, da sich die Ertragslage eines bestehenden Unternehmens gut prognostizieren lässt. Der bereits vorhandene Kundenstamm verleiht eine gute Ausgangsbasis. Die Expertinnen und Experten des bga-Netzwerkes sind Übernehmerinnen dabei behilflich, für sie geeignete Fördermöglichkeiten zu eruieren und eine passgenaue Finanzierung auszuarbeiten“, so bga-Projektleiterin Iris Kronenbitter.
Nach der Übernahme: Alles neu, aber vertraut
„Anfangs war es für mich schon ein ungewohntes Gefühl, nun die Inhaberin des Restaurants zu sein, aber das Umfeld war mir ja vertraut“, so Elke Müllenschläder über den Neustart. An der Ausrichtung des Restaurants änderten die Übernehmerinnen zunächst einmal kaum etwas. Nach wie vor ist das ViVA in der Karlsruher Rathauspassage die Anlaufstelle für gesundheitsbewusste Genießer, die aus einer bunten Palette an vegetarischen Nudelgerichten, knackigen Salaten, Vorspeisen und Desserts wählen können. Im Straßenverkauf werden außerdem in der Mittagszeit leckere vegetarische Burger und Wraps gereicht. Die Zahl der Mitarbeiter blieb seit der Übernahme konstant. Neben den Chefinnen arbeiten im ViVA sieben festangestellte Kräfte, zum Teil in Teilzeit, sowie eine Auszubildende der Systemgastronomie. Daneben beschäftigen die Übernehmerinnen rund 40 Aushilfen, überwiegend Studentinnen und Studenten. „Deren unterschiedliche Nationalitäten sorgen für ein spannendes Erleben in der täglichen Arbeit“, so die Nachfolgerin.
Für Unternehmerinnen gibt es keine Altersgrenzen
Für Elke Müllenschläder kam der unternehmerische Aufbruch mit 49 Jahren zur rechten Zeit, denn aufgrund ihres erfolgreichen beruflichen Entwicklungsweges war die Gastronomin bestens auf die Unternehmensnachfolge vorbereitet. „Ich blicke sehr zufrieden auf die letzten Jahre zurück und freue mich, dass ich diesen Schritt gewagt habe“, sagt sie. Ein wichtiger Grund für diese positive Bilanz liegt sicherlich darin, dass die Unternehmerin sich von Anfang an Klarheit darüber verschaffte, welchen Stellenwert das Restaurant in ihrer Lebensplanung haben soll. „Ich habe darauf geachtet, dass ich mit der Übernahme mein Privatleben nicht zu sehr einschränken muss. Mir ist mein beruflicher Einsatz sehr wichtig, aber man sollte auch seine privaten Interessen unbedingt berücksichtigen“, lautet das Erfolgsrezept der heute 54-Jährigen, die für sich eine Balance zwischen unternehmerischem Engagement und persönlicher Erfüllung gefunden hat. Die Nachfolge im Team schafft ihr hier genügend Freiräume, denn wenn sie einmal länger verreist, kann sie sicher sein, dass auch unter der Führung der Partnerin der Laden läuft: „Für mich stand bei der Übernahme auch die Frage, wie ich leben will, auf der Agenda. Und wenn ich nach drei Wochen Urlaub zurück ins Restaurant zurück komme, bin ich voller neuer Ideen.“
„Die Erfahrung zeigt, dass es für den Start ins Unternehmerinnendasein keine Altersgrenzen gibt. Aus diesem Grund ermutigt die bundesweite gründerinnenagentur auch Frauen ab der Lebensmitte, eine Unternehmensübernahme in Erwägung zu ziehen. Die vielfältigen beruflichen Erfahrungen, die Frauen bis zur Lebensmitte bereits gesammelt haben, bilden nämlich wertvolle Ressourcen für ein erfolgreiches unternehmerisches Engagement“, so bga-Projektleiterin Iris Kronenbitter.
Elke Müllenschläder hat für das ViVA Restaurant auch in Zukunft große Pläne. „Ich kann mir sehr gut den Ausbau des Imbissbereichs vorstellen. Außerdem ist es mir ein Anliegen, noch mehr Zielgruppen den Genuss am gesunden Essen zu vermitteln“, erzählt die 54-Jährige voller Tatendrang.
Unternehmenswebsite: www.viva-restaurant.de
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