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Karin Eder
Nachfolgerin
Eder Fördertechnik GmbH
„Ich wollte schon immer meine Ideen selbst verwirklichen, ohne ständig gestoppt zu werden“
Karin Eder privatisierte nach der Wende 1990 mit nur 29 Jahren die Produktionsgenossenschaft (PGH) Maschinenbau Kolkwitz in Brandenburg und baute das Unternehmen in knapp 20 Jahren zum Händler für Multicar-Spezialfahrzeuge und Gabelstapler mit umfassender Dienstleistungspalette aus „Das Thema Selbstständigkeit hat mich schon lange vor der Wende beschäftigt, doch alle meine Konzepte und Ideen wurden damals von den Behörden abgelehnt. Was es heißt, in der freien Marktwirtschaft selbstständig zu sein, konnte ich mir, als ich den Betrieb übernommen habe, nicht wirklich vorstellen – und im nachhinein betrachtet war das auch gut so“, erzählt Karin Eder. Als die Wende über die DDR hereinbricht, verändern sich die Wirtschaftsstrukturen rasant. Viele Menschen begreifen den großen Umbruch als ebenso große Chance, bietet er ihnen doch die Gelegenheit, endlich mehr Eigeninitiative zu zeigen und unternehmerisch selbst etwas auf die Beine zu stellen. „Nur in der Chance, Verantwortung zu übernehmen, liegt auch meine Chance, mein Leben selbst zu gestalten“ – angetrieben von diesem Lebensmotto wagt Karin Eder 1990 den großen Schritt, nach der Reprivatisierung den Betriebsteil Kolkwitz des Kombinats Hauswirtschaftliche Dienstleistungen (HWD) Cottbus zu übernehmen.
Ideen verwirklichen, ohne immer gebremst zu werden
Die Voraussetzungen für den Start sind gut, kennt die damals 29-jährige Ingenieurin den Betrieb doch wie ihre Westentasche. Nach ihrer Berufsausbildung zur Elektrozeichnerin und einem Fachhochschulstudium zur Ingenieurin für industrielle Elektronik arbeitet die junge Cottbuserin in den 1980-er Jahren zunächst im technischen Bereich und bekommt zwischenzeitlich zwei Kinder. 1986 tritt sie in das Unternehmen HWD Cottbus ein und wird technische Leiterin im Betriebsteil Kolkwitz. „Das war mein Start in die berufliche Männerwelt“, sagt die heute 48-Jährige schmunzelnd. Im Mittelpunkt des Betriebs steht der so genannte Multicar, ein universell einsetzbares Nutzfahrzeug, das in der Bauwirtschaft und Industrie zum Einsatz kommt und seit 1956 im thüringischen Waltershausen gefertigt wird. In der DDR liebevoll „Ameise“ genannt, werden die Multicars in Kolkwitz, fünf Kilometer westlich von Cottbus gelegen, instandgesetzt. „Ich wollte schon immer am liebsten meine Ideen selbst verwirklichen, ohne ständig gestoppt zu werden“, erzählt Karin Eder. In der Reprivatisierung und dem anschließenden Kauf des Unternehmens eröffnet sich der jungen Frau die Möglichkeit, genau das zu tun. Ermutigt wird sie zu diesem Schritt auch dadurch, dass sie nach vier Jahren Betriebszugehörigkeit weiß, dass sie auf die Angestellten zählen kann. „Ein Team zu übernehmen, hat große Vorteile. Ich kannte alle Mitarbeiter und sie waren gut qualifiziert“, so die Unternehmerin.
„Die Unternehmensnachfolge kann gegenüber einer Neugründung erhebliche Vorteile haben, da das Unternehmen bereits am Markt eingeführt ist, über einen Kundenstamm verfügt und Betriebsabläufe nicht von Null aufgebaut werden müssen. Die bundesweite gründerinnenagentur (bga) als einziges bundesweites Service- und Kompetenzzentrum zur unternehmerischen Selbstständigkeit von Frauen über alle Branchen und Phasen der Existenzgründung und des Unternehmensausbaus propagiert vor diesem Hintergrund die Unternehmensnachfolge für unternehmerisch interessierte Frauen als aussichtsreiche Alternative zur Neugründung. Hinzu kommt, dass in Deutschland gegenwärtig jedes Jahr rund 70.000 Firmen vor der Herausforderung stehen, eine geeignete Übergabe zu realisieren. Um den Fortbestand dieser Arbeitsplätze zu sichern, liegt es im volkswirtschaftlichen Interesse, Frauen verstärkt in Nachfolgelösungen einzubeziehen“, so Iris Kronenbitter, Projektleiterin der bundesweiten gründerinnenagentur (bga).
Beratung durch Experten erleichtert die Reprivatisierung
Bei der Reprivatisierung und dem anschließenden Kauf des Unternehmens nimmt Karin Eder professionelle Hilfe in Anspruch, will sie doch zuerst den Betriebsteil des Kombinates wieder in eine PGH zurückführen, um die Alteigentümer ordnungsgemäß auszahlen zu können. „Die Begleitung durch die Handwerkskammer in diesem Prozess hat mir sehr geholfen. Außerdem hat mich eine frühere Buchhalterin der PGH, die sich in diesen Rechtsfragen sehr gut auskannte, unterstützt“, sagt die Nachfolgerin.
Der Vorstand der Genossenschaft steht der angehenden Unternehmerin bei den notwendigen Schritten zur Seite. Die ursprünglichen Bereiche des Betriebsteils werden in eigenständige Gesellschaften umgewandelt und Karin Eder übernimmt den Geschäftsbereich mit den Multicars als eigenständige GmbH. Das GmbH-Stammkapital kann sie aus eigenen Mitteln aufbringen, die Auszahlung der Alteigentümer erfolgt aus den Mitteln, die durch die Entflechtung der Betriebe, den Verkauf von Grundstücken und ein Joint-Venture für die frühere Flüssiggasabfüllstelle des Kombinats zur Verfügung stehen.
„Eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge steht und fällt mit einer tragfähigen Finanzierung und einer nachhaltigen Klärung aller rechtlichen und bürokratischen Fragen des Betriebsübergangs. Die bundesweite gründerinnenagentur, die das Thema Unternehmensnachfolge durch Frauen als einen ihrer Arbeitsschwerpunkte betreibt, unterstützt angehende Unternehmensnachfolgerinnen mit einem Netzwerk aus mehr als 1.600 Expertinnen und Experten dabei, belastbare Finanzierungskonzepte und zukunftsfähige Übergaberegelungen zu entwickeln“, so bga-Projektleiterin Iris Kronenbitter.
Start mit einem Partner erleichtert die Expansion
Der Start der neuen GmbH verläuft vielversprechend. Direkt nach der Privatisierung gelingt es Karin Eder 1990, einen Händlervertrag für die Multicar-Spezialfahrzeuge abzuschließen sowie einen weiteren mit dem Gabelstaplerhersteller Linde. Linde knüpft die Zusammenarbeit an die Bedingung, dass die Unternehmerin einen Partner aus den alten Bundesländern an Bord nimmt, ein Schritt, der zumindest in den Anfangsjahren den Aufschwung des Unternehmens fördert. „Mein Partner war ein Vertriebs- und Verkaufsprofi und hat sein langjähriges Marktwissen eingebracht, so dass es uns in kurzer Zeit gelungen ist, neue Kunden zu akquirieren und eine sehr gute Kundenbetreuung aufzubauen“, erzählt die Unternehmerin. Die Freude über die Zusammenarbeit währt jedoch nicht lang, denn schon nach drei Jahren zeigen sich in der Geschäftsbeziehung Risse: „Ich war anfangs wohl zu euphorisch und es kam sehr schnell zu Auseinandersetzungen.“ Karin Eder trennt sich von ihrem Geschäftspartner und steht mit dem Rücken zur Wand, denn im Zuge der Trennung werden der Händlervertrag mit Linde gekündigt und ihre beiden besten Vertriebsleute abgeworben. „Das war für mich eine wirklich schlimme Erfahrung. Meine Gutgläubigkeit wurde schlicht ausgenutzt“, bilanziert sie. Doch der mutigen Unternehmerin gelingt es, mit einer anderen Gabelstaplerfirma ins Geschäft zu kommen und der Vertrieb läuft bald wieder beständig.
„Eine Unternehmensgründung oder -nachfolge im Team kann eine gute Basis bilden, um die verschiedenen fachlichen Qualifikationen sowie das Branchen-Know-how, die zur Führung eines Unternehmens notwendig sind, leichter abzudecken. Mindestens genau so wichtig ist es aber auch, im Vorfeld genau zu prüfen, ob Geschäftspartner im Hinblick auf die Ausrichtung des gemeinsamen Unternehmens langfristig die gleichen Ziele haben. Die bundesweite gründerinnenagentur unterstützt Unternehmensnachfolgerinnen und Gründerinnen mit ihren Regionalrepräsentanzen in allen Bundesländern dabei, in Kooperation mit den uns verbundenen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren solche Teamlösungen zu entwickeln und zu realisieren“, so bga-Projektleiterin Iris Kronenbitter.
Chefin werden, erfordert Mut und Stärke
Da Karin Eder schon vor der Privatisierung im Kombinat eine Führungsrolle innehatte, fällt es ihr nicht schwer, die Rolle der Chefin zu übernehmen. Den Respekt ihrer meist männlichen Mitarbeiter hatte sie sich längst erworben. „Ich habe in den Anfangsjahren natürlich die typischen Rangeleien, die entstehen, wenn Frauen in einer Männerbranche in die Verantwortung gehen, mitgemacht und mich beispielsweise schon mal selbst im Blaumann unter einen Multicar gelegt, um mir Anerkennung zu verschaffen“, erzählt sie. Als Unternehmerin versucht sie, bei den typischen Männerritualen in der Geschäftswelt am Ball zu bleiben und verbringt auf Messen oder Tagungen schon einmal die halbe Nacht an der Hotelbar, um Kontakte zu halten. „Der Versuch, mich auf diese Weise anzupassen, ist mir jedoch nicht immer gut bekommen. Inzwischen weiß ich längst um andere Stärken in mir“, sagt die heute 48-Jährige. Bei den eigenen Mitarbeitern findet sie großen Rückhalt, ist die Aufbruchstimmung nach der Wende doch groß und fördert die Motivation: „Die meisten Mitarbeiter haben es mir zugetraut, den Betrieb erfolgreich weiterzuführen. Von jenen, die sich mit den Veränderungen nicht arrangieren konnten, musste ich mich trennen.“ Drei der heute zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind von Anfang an dabei.
Erfolg durch Ausbau der Geschäftstätigkeit
Heute, 19 Jahre nach der Privatisierung und Nachfolge, steht die Eder Fördertechnik GmbH auf gesunden Beinen und dies nicht zuletzt deshalb, weil es der Unternehmerin gelungen ist, die Geschäftsbereiche auszubauen. Neben der Wartung der Multicars sind der Verkauf und die Vermietung von Spezialfahrzeugen zu einem wichtigen Standbein geworden. Darüber hinaus bietet Karin Eder ihren Kunden aus Industrie, Kommunen, Gartenbau und Dienstleistungsgewerbe umfassenden Service und Kundendienst bis hin zur Vermittlung von Finanzierungen und einem kompletten Werkstattservice. Flankiert wurde diese Neuausrichtung durch Investitionen in die Werkstatt und in die Büroräume. Außerdem bietet das Unternehmen seit 1990 jedes Jahr einen Ausbildungsplatz im kaufmännischen Bereich oder in der KfZ-Werkstatt an. Mit der Geschäftsentwicklung ist die Unternehmerin sehr zufrieden und auch die Wirtschaftskrise hat den Kolkwitzer Betrieb bisher nicht erreicht. „Wir arbeiten gegenwärtig sehr viel mit Kommunen zusammen, die aufgrund des Konjunkturprogramms investieren können. Was im nächsten Jahr kommt, kann ich noch nicht abschätzen, aber auch da wird mir wieder etwas einfallen“, sagt die Unternehmerin mit der Zuversicht, die sie in all den Bewährungsproben der letzten knapp 20 Jahre gewonnen hat. Trotz vieler Schwierigkeiten hat sie den Schritt zum eigenen Unternehmen nie bereut: „Heute würde ich manche Entscheidungen vielleicht nicht mehr so treffen, aber sie auch nicht als Fehler betrachten, denn alles, was ich gemacht habe, hat mich weitergebracht.“
Nach 20 Jahren wieder in ruhigerem Fahrwasser
Jetzt, wo das Unternehmen am Markt etabliert ist, hat Karin Eder wieder Zeit für kleine Verschnaufpausen. Ihre beiden Söhne sind längst erwachsen und stehen auf eigenen Beinen, so dass die dynamische Endvierzigerin wieder mehr Zeit hat, die sie gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Hobbys verbringt. „Wenn ich so zurückblicke, war das schon eine herausfordernde Zeit, so jung und mit zwei kleinen Kindern eine Firma zu übernehmen. Ohne die Unterstützung meines Mannes, meiner Eltern und auch meiner Geschwister wäre sicherlich vieles nicht in dieser Form möglich gewesen“, sagt die engagierte Ingenieurin.
Anderen Unternehmensnachfolgerinnen oder Gründerinnen rät sie, an sich selbst zu glauben und sich das Erreichte immer wieder vor Augen zu führen. Sie selbst gibt ihre Erfahrungen im Rahmen des Unternehmerinnenabends Cottbus, dessen Leitung sie 2008 übernommen hat, weiter Netzwerke wie diese finden Unternehmerinnen auf dem Online-Portal der bundesweiten gründerinnenagentur unter www.gruenderinnenagentur.de > Vernetzung. „Ich hatte viele Jahre mit Frauen eher wenig zu tun, da ich beruflich ja hauptsächlich mit Männern zusammenarbeite. Foren wie der Unternehmerinnenabend sind so gewinnbringend, denn hier finde ich nützliche und interessante Kontakte und einen wunderbaren Austausch“, sagt Karin Eder.
Zur Unternehmenswebsite: www.eder-cottbus.de
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