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Anja Conz


Bundesland: Baden-Württemberg
Profil: Anja Conz
Nachfolgerin
Conz & Strasser


„Die Übernahme kam eher überraschend und war nicht geplant, aber ich bin froh, dass ich die Herausforderung angenommen und es geschafft habe, das Unternehmen vor dem Konkurs zu retten und sogar auszubauen“


Anja Conz übernahm im Jahr 2000 in einer Krise mit nur 23 Jahren das von ihrer Mutter gegründete Härtetechnik-Unternehmen in Baden-Württemberg / Mit enormem Einsatz gelingt ihr der Turn-around und sogar eine Expansion, die den Betrieb für die weitere Zukunft gut aufstellt

„Erfolg ist die Summe vieler kleiner Schritte“, lautet das Motto der Härte-Oberflächentechnik Conz & Strasser GmbH im baden-württembergischen Spaichingen. Für Geschäftsführerin Anja Conz ist dieser Satz weit mehr als ein Werbeslogan, spiegelt er doch einen langen und teils auch schmerzhaften Prozess wider, an dessen Ende zwar der Erfolg steht, der aber auch so manche Wunde hinterlassen hat. Das von ihrer Mutter 1992 gegründete Unternehmen steht um die Jahrtausendwende kurz vor dem Konkurs, als die Gründerin schwer erkrankt und innerhalb weniger Monate stirbt. Anja Conz, damals im achten Monat schwanger und gerade einmal 23 Jahre alt, verspricht ihrer Mutter am Sterbebett, sich nicht nur um den seinerzeit 17-jährigen Bruder zu kümmern, sondern auch, das Unternehmen weiterzuführen. „Die Nachfolge war weder geplant, noch mein Wunsch. Aber in der damaligen Situation ging es nicht um Gefühle, sondern darum zu funktionieren und zu retten, was zu retten ist“, sagt Anja Conz heute über diese schwierige Zeit. Ein starkes Verantwortungsgefühl, gepaart mit einem Hauch Naivität lassen die junge Mutter fast über Nacht zur Unternehmerin werden. „Ich habe ehrlich gesagt anfangs gar nicht gesehen, auf was ich mich da einlasse und erst mit der Zeit realisiert, wie schlecht es um die Firma wirklich steht“, erzählt sie.

Mit Mut und Tatkraft einfach anpacken
Für Anja Conz wird die Übernahme vom ersten Tag an zum Sprung ins eiskalte Wasser. Als gelernte Industriekauffrau, die bis dahin im Export tätig war, fehlt ihr jegliche Branchenkenntnis. „Ich hatte von Härtetechnik keine Ahnung und konnte mich nur auf meinen gesunden Menschenverstand verlassen“, sagt sie heute und man ahnt, wie viel Überwindung ihr dieser Schritt abverlangte. Die Stärken der Mutter lagen vor allem im Bereich der Produktion. In der Programmierung von Maschinen fühlte sich die Gründerin mehr zu Hause als in betriebswirtschaftlichen Fragestellungen. Genau hier setzt die Nachfolgerin an: „Ich habe zunächst angefangen, die notwendigen bürokratischen Abläufe besser zu organisieren und mir einen Überblick über die finanzielle Lage verschafft.“ Wie man Angebote schreibt, weiß die 23-Jährige nicht – ihre Mitarbeiter erstaunlicherweise auch nicht. Also verbringt die junge Mutter die Abende im Büro über den alten Akten und bringt sich im Learning-by-Doing-Verfahren selbst bei, was sie wissen muss: „Das war eine richtige Detektivarbeit.“ Auf die Idee, externe Beratung in Anspruch zu nehmen, kommt sie nicht. „Da hätte ich ja sehr gezielte Fragen haben müssen, aber wenn man die Fragen erst einmal findet, was bei mir natürlich gedauert hat, findet man auch die Antworten“, sagt sie heute.

„In Deutschland stehen gegenwärtig rund 70.000 Unternehmen vor der Herausforderung, eine Nachfolgelösung zu finden, was in etwa acht Prozent der Fälle nicht gelingt und mit einem Verlust von im Schnitt 33.000 Arbeitsplätzen pro Jahr verbunden ist. Vor diesem Hintergrund setzt sich die bundesweite gründerinnenagentur als einziges bundesweites Service- und Kompetenzzentrum zur unternehmerischen Selbstständigkeit von Frauen über alle Branchen und Phasen der Existenzgründung und des Unternehmensausbaus dafür ein, Frauen verstärkt in Nachfolgeregelungen einzubeziehen, um so den Fortbestand dieser Arbeitsplätze zu sichern. Die Unternehmensnachfolge durch Frauen bildet eines der Schwerpunktthemen der Arbeit der bundesweiten gründerinnenagentur und wir engagieren uns dafür, sowohl die Unternehmen, die vor einer Übergabe stehen, als auch Frauen, die eine unternehmerische Selbstständigkeit in Erwägung ziehen, für die Chancen und Vorteile einer Unternehmensnachfolge zu sensibilisieren“, so Iris Kronenbitter, Projektleiterin der bundesweiten gründerinnenagentur (bga).

Die Kunst, eine Million Euro aufzutreiben – Ein Dorf wettet, wann der Betrieb pleite ist
Die Antworten, die Anja Conz in den Geschäftsunterlagen findet, sind alles andere als positiv, denn das Unternehmen ist nicht nur verschuldet, sondern braucht dringend weiteres Kapital. In Aldingen erfährt sie dabei wenig Rückendeckung, eher im Gegenteil. „Im Dorf hat man schon gewettet, wann ich den Laden dicht machen muss“, erzählt die Unternehmerin. Bei ihrer Hausbank, wo sie nur drei Tage nach der Geburt ihres Sohnes vorspricht, blitzt die 23-Jährige zunächst ab. „Der Bankberater war nur ein paar Jahre älter als ich und hat es mir wohl nicht zugetraut, die Firma am Leben zu erhalten“, sagt sie nüchtern. Doch wenige Tage später bekommt die Nachfolgerin Besuch von zwei Beratern aus der Filiale der Nachbarstadt, die zumindest gewillt sind, sich die Sanierungspläne näher anzuschauen. „Die beiden waren begeistert, weil meine Unterlagen alle hieb- und stichfest waren und eine Zukunftsperspektive versprachen“, erzählt Anja Conz. So erhält die junge Frau den benötigten Kredit in Höhe von einer Million Euro: „Eine Zahl mit so vielen Nullen, das sind Dimensionen, in denen ich lange Zeit überhaupt nicht denken konnte.“

„Eine Unternehmensnachfolge steht und fällt mit der Finanzierung, denn häufig geht es ja nicht nur darum, das Bestehende zu bewahren, sondern vor allem die Firma zukunftsfähig zu machen und auszubauen. Die bundesweite gründerinnenagentur steht mit ihrem Netzwerk, dem mehr als 1.600 Expertinnen und Experten angehören, Unternehmensnachfolgerinnen dabei zur Seite, eine zu ihren Geschäftsplänen passende Finanzierung zu entwickeln“, so bga-Projektleiterin Iris Kronenbitter.

Die neue Chefin nimmt die Herausforderung an
Ihrer neuen Chefinnenrolle gerecht zu werden, fällt der 23-Jährigen nicht ganz leicht. Viele der Mitarbeiter kennen sie noch aus Kindheitstagen und manche kommen nur schwer damit zurecht, dass die Nachfolgerin im Betrieb einiges verändert. „Die Verantwortlichkeiten waren unter meiner Mutter kaum geklärt, und ich habe erst einmal Struktur in die Abläufe gebracht“, erzählt sie. Außerdem verlegt sie die Firma in den Nachbarort Spaichingen. Auch in Sachen Branchenkompetenz hat die Nachfolgerin erheblichen Nachholbedarf. So macht sie eine Härtetechnik-Weiterbildung und absolviert im Abendstudium ihren Technischen Fachwirt. „In dieser Zeit war für mich eine 7-Tage-Woche mit Arbeitszeiten von 6 bis 22 Uhr die Regel“, so die heute 32-Jährige.

Vor der Übernahme war das Unternehmen in der reinen Wärmebehandlung tätig, für Kunden der unterschiedlichsten Branchen wie Automobil, Luftfahrt, Möbelindustrie oder auch Medizintechnik. „Damit eine Schere wirklich schneidet oder eine Rasierklinge hart genug ist, dass sie rasiert, müssen die Oberflächen gehärtet werden“, erklärt Anja Conz. Die Nachfolgerin merkt bei ihren Marktanalysen schnell, dass ihre Firmenkunden, die aus einem Umkreis von bis zu 200 Kilometern kommen, gerne einen Rundum-Service hätten, und so beschließt sie, 2007 in Jestetten eine Firma für Oberflächenveredelung mit sechs Mitarbeitern zu übernehmen. Die dafür nötigen 600.000 Euro bekommt sie dieses Mal völlig problemlos von der Bank, denn ihre bisherigen Erfolge sprechen für sich. So wurde Anja Conz 2004 als Jung-Unternehmerin des Jahres ausgezeichnet, erreichte 2006 die zweite Stufe des Wettbewerbs „Großer Preis des Mittelstandes“ der Oskar-Patzelt-Stiftung, gewann den regionalen Unternehmerpreis und den „Wettbewerb für Chancen=Gleichheit im Betrieb“.

Wo Erfolge sind, sind auch Neider
Fragt man Anja Conz, wie sie all die Herkulesaufgaben, mit denen sie schon in jungen Jahren konfrontiert war, bewältigt hat, fällt ihr vor allem ihr gesunder Realitätssinn ein. „Das wenigste im Leben funktioniert so, wie man es sich vorgestellt hat. Ich glaube, ich habe die Fähigkeit, Entwicklungen zuzulassen und mich mit dem auseinanderzusetzen, was passiert“, sagt sie. Ihre Mitarbeiter, deren Zahl seit 2000 von elf auf nunmehr 24 gewachsen ist, wissen dies zu schätzen und sehen in ihrer engagierten Chefin inzwischen eine wichtige Motivatorin. Manche Kunden in der sehr männerdominierten Branche haben hingegen durchaus Schwierigkeiten mit einer immer noch sehr jungen Unternehmerin, über deren Erfolge regelmäßig in der Zeitung zu lesen ist. „Zwei meiner Kunden sind definitiv abgesprungen, weil sie mit meiner Position nicht zurecht kamen und wohl Minderwertigkeitskomplexe hatten. Vor allem jüngere Firmeninhaber scheinen hier Probleme zu haben, denn viele meiner älteren Kunden würdigen, was ich in den letzten Jahren geleistet habe“, erzählt Anja Conz gelassen.

„Frauen haben es als Unternehmensnachfolgerinnen vor allem in eher männerdominierten Branchen bisweilen schwer sich durchzusetzen, selbst wenn sie enorme Fachkompetenz mitbringen. Gerade deshalb betrachtet es die bundesweite gründerinnenagentur als wesentliche Aufgabe, mit ihren Aktivitäten auch einen Einstellungswandel gegenüber erfolgreichen Unternehmerinnen in der Öffentlichkeit zu fördern. Für Unternehmensnachfolgerinnen kann es sehr hilfreich sein, sich in Netzwerken zu engagieren, die ihnen ein Forum für den fachlichen Austausch und die Kontaktpflege bieten. Auf dem Online-Portal der bundesweiten gründerinnenagentur finden Unternehmerinnen entsprechende Organisationen und Verbände, in denen sie sich einbringen können“, so bga-Projektleiterin Iris Kronenbitter.

Work-Life-Balance: Nicht immer leicht, aber durchaus möglich
Arbeiten rund um die Uhr war für die junge Nachfolgerin viele Jahre ganz alltäglich, doch hält sie selbst nicht viel davon, Berufs- und Privatleben getrennt voneinander zu denken. „Ein Unternehmen zu führen, ist immer mit großen Herausforderungen und auch Anstrengungen verbunden. Deshalb sollte man sich in einem Bereich engagieren, in dem man das Gefühl hat, auch etwas zurückzubekommen. Ich empfinde vieles nicht als Arbeit, weil es mir Freude macht“, sagt Anja Conz. Als ihr Sohn noch klein war, konnte sie auf die Unterstützung ihrer Großmutter zählen. Inzwischen ist auch ihr jüngerer Bruder in die Firma eingestiegen, so dass manche Last nun auf vier Schultern ruht. Ihre Ehe hat die turbulenten Jahre der Unternehmensneuausrichtung indes nicht überstanden, wenngleich ihr geschiedener Mann noch in der Firma tätig ist. „Wir haben uns einfach zu unterschiedlich entwickelt, aber mir ist es wichtig, dass wir immer noch gut zusammenarbeiten können“, so die 32-Jährige.

Trotz Wirtschaftskrise gut für die Zukunft positioniert
Die Wirtschaftskrise hat auch vor dem Unternehmen von Anja Conz nicht Halt gemacht. 2009 musste sie Kurzarbeit anmelden und wird wohl rote Zahlen schreiben. „Ich bin zuversichtlich, dass wir mit einem blauen Auge davonkommen, denn im Kern ist das Unternehmen inzwischen gesund und gut aufgestellt – was aufgrund der hohen finanziellen Belastungen, die ich übernommen habe, eine wirkliche Leistung ist“, sagt die Firmeninhaberin selbstbewusst. Für die Zukunft geht es ihr vordergründig nicht um Wachstum, sondern eher darum, das hohe Niveau, das das Unternehmen erreicht hat, zu halten und qualitativ auszubauen. Sie schätzt die familiäre Atmosphäre, die bei Conz & Strasser immer noch herrscht und möchte diese auf jeden Fall bewahren. Dennoch hat sie auch neue Pläne: „Ich will mich künftig auch in der Beratung engagieren, denn gerade kleinere Unternehmen stehen immer wieder vor der Schwierigkeit, dass professionelle Berater sich mit den spezifischen Besonderheiten und Bedürfnissen dieser Betriebe kaum auskennen. Ich musste viel aus eigener Erfahrung lernen und habe auch Lehrgeld bezahlt – an diesem Wissen möchte ich andere Firmen teilhaben lassen. Alleine hier in der Region sind jedes Jahr rund 1.500 Unternehmensnachfolgen notwendig, und ich würde mich freuen, wenn ich einen Beitrag dazu leisten kann, dass einige dieser Firmen weiter am Markt bleiben.“

Zur Unternehmenswebsite: www.conz-strasser.de





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